Auszug aus der Chronik der
Patscheider:
Da die finanzielle Situation eines kleinen
Staatsbeamten in der damaligen Zeit sehr angespannt war, entschloß man
sich, die beiden ältesten Kinder Therese und Anton zu Tante Therese, der
Schwester der Mutter zu geben. Diese war mit Dr. Niederleitinger, dem
ältesten Wundarzt Österreichs in Rohrbach (O.Ö.) verheiratet. Das
Ehepaar Niederleitinger hatte keine Nachkommen und so konnten die beiden
Försterkinder bei ihren Pflegeeltern eine ausgezeichnete Erziehung
genießen. Die ersten Gymnasialjahre finden wir Anton noch in Freistadt.
Anton Patscheider (1882-1935) beendet seine
Gymnasialzeit in Feldkirch und wird 1911 an der Universität Innsbruck zum
Doktor der Medizin promoviert. Es ist dies auch das Jahr in dem seine
Mutter stirbt. Bald danach wird er vom Vorstand der Chirurgischen
Universitätsklinik Innsbruck, Prof. Dr. Hans von Wocherer auf den
Balkankriegsschauplatz des Türkisch-Serbischen Krieges als Feldarzt
entsandt.
1912 heiratet er Julie Gerber, eine
Bürgerstochter aus Kufstein, sie hatte ihn die letzten Studienjahre
hilfreich unterstützt, auch ihre Schwester Marie hatte einige Jahre zuvor
einen Arzt geheiratet: Dr. Paul Kniely. Ende 1913 nimmt Anton die Berufung
an das auszubauende Krankenhaus Mähr. Rothwasser an, das Ehepaar mietet
ein typisch mährisches Haus und wird hier bald heimisch.
Im 1. Weltkrieg wird Dr. Anton Patscheider Chef
der 1. Brünner Sanitätskompanie, deren Feldlazarett in Pergine in Val
Sugana besonders in den Kriegsjahren 1917 eine kaum zu bewältigende Flut
von Kriegsopfern zu versorgen hat. Seine Frau Julie begleitet ihn auf all
seinen Kriegseinsätzen als Ordinationsschwester, hoch dekoriert kehrt das
Ehepaar bei Kriegsende nach Mähr. Rothwasser zurück, aber um die
Spitalsleitung zu behalten, muß die Tschechoslowakische
Staatsbürgerschaft angenommen werden.
Anton Patscheider war ein Vollbluttiroler, dem
aber das Deutschtum nicht so ausgeprägt über allem stand wie seinem
Bruder Richard. Vielleicht war er ganz allgemein auch toleranter im Wesen
und weltmännischer im Auftreten als seine Geschwister. Er war ein
musischer, geselliger Mensch, dessen Aktivitäten allerorts in der
Gemeinschaft geschätzt wurden.
Er las viel und gerne, er besaß eine
ausgebildete Baritonstimme, die er bei örtlichen Festen und
Opernaufführungen auch hören ließ, er dichtete Verse und war daher
insbesondere in der Schlaraffia äußerst aktiv. Seines Vaters eingedenk
war er auch ein eifriger Jäger und Heger.
Im Jahre 1925 erliegt seine Frau Julie einem
krebsleiden, eine Pfeife der Heldenorgel auf der Feste Kufstein stiftete
Anton zu ihrem Gedenken. Das Alleinsein während seiner Witwenschaft
trifft ihn schwer und er ist viel unterwegs.
Pfingsten 1927, als er seinen Bruder Richard in
Troppau besuchen wollte, fuhr er mit seinem, damals noch als
Sehenswürdigkeit bestauntem Opel auf staubiger Straße an den Torfosten
eines Gehöftes im nahegelegenen Braunsdorf. Bei dem erzwungenen
Aufenthalt, als Gast beim Direktor der Zuckerfabrik Mikulasch weilend,
traf er beim dortigen Feuerwehrfest Wilhelmine Jarosch.
Am 28. Juli 1927 heiratete Dr. Anton
Patscheider die erst 18 jährige Wilhelmine Jarosch
in der Wallfahrtskirche Maria Hilf bei Zuckmantel. Diese Kirche existiert
heute nicht mehr, nur noch das Gnadenlicht befindet sich jetzt in der
Pfarrkirche von Zuckmantel.
Die Verlobungszeit war kurz, aber der
Bräutigam wollte nicht warten, vielleicht ahnte er, dass seine
Lebensjahre gezählt waren. Acht ereignisreiche Jahre wurden dem Ehepaar
geschenkt. Sicher war es für die blutjunge Frau nicht immer leicht,
plötzlich einem großen Haus mit den vielen Verpflichtungen eines
Arzthaushaltes auf dem Lande vorzustehen, aber die gemeinsame Liebe und
die gleichen musischen Interessen beider Ehepartner waren dabei eine
große Hilfe.
Die Eltern Jarosch vermissten ihre einzige
Tochter sehr, nachdem sie sich zur Ruhe gesetzt hatten, kauften sie ein
kleines Haus im nahe gelegenen Grulich, einem Städtchen knapp an der
Grenze zum Glazer Kessel, im deutschen Schlesien gelegen.
Der Gesundheitszustand des Ehemannes war durch
die beruflichen Überanstrengungen und durch das raue Klima in Mährisch
Rothwasser so in Mitleidenschaft gezogen, dass ein Klimawechsel dringend
geboten schien. Gastliche Aufnahme für einige Monate gab das Ehepaar Dr.
Paul und Marie Kniely im klimagünstigen Wies in der Südsteiermark. In
diese Zeit fällt die Geburt des Stammhalters Irimbert,
der an einem Ostersonntag, am 8. April 1928 in Graz zur Welt kommt.
Nachdem die junge Familie Patscheider wieder
gesund in Mährisch Rothwasser ankam, und ein weiteres Jahr vergangen war,
gesellte sich eine Tochter Giselheid im Mai 1929 dazu. Die junge Mutter
erkrankte an dem so gefährlichen Kindbettfieber und es dauerte Monate,
ehe sie wieder ihren häuslichen Pflichten nachgehen konnte.
Die räumlichen Gegebenheiten erweisen sich zu
eng und man ging daran ein schönes und modernes Haus gegenüber dem
Spital zu bauen, der Umzug war der Beginn einer neuen Ära im Leben der
Familie.
Neben den Verpflichtungen an dem von ihm
vergrößerten Spital, in einer Zeit der großen wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, der immer stärker werdenden Spannungen zwischen
Deutschen und Tschechen, hat sich Dr. Patscheider einen großen
Freundeskreis geschaffen, sein gastliches Haus stand nicht nur diesen
offen, einmal wöchentlich gab es für eine Schulklasse eine
Mittagsausspeisung, zur kräftigen Suppe wurden frische Semmeln aus dem
großen Weidewäschekorb gereicht.
Die Hedwigschwestern, die er aus dem Mutterhaus
aus Breslau an sein Spital gerufen hatte, dienten ihm mit Hingabe und
Liebe, heute noch sind ihre wunderschönen Handarbeiten, die sie für ihn
zu den Festtagen anfertigten, zum Teil in unseren Händen. Er danke ihnen
diese Treue in dem er ihren Schwesterntrakt aufstockte und ihnen daneben
eine schöne Kapelle errichten ließ.
Als diese Anfang Dezember 1935 vom Bischof von
Ölmütz eingeweiht wurde, war die Freude im Spital groß. Aber Freude und
Schmerz sind nahe beisammen, am gleichen Tage, als die Feierlichkeiten
vorüber waren, legte sich der von allen geliebte Primar mit einer
Lungenentzündung ins Krankenbett, er sollte nicht mehr genesen, am
15.12.1935 ging er heim zu Gott.
Ende Chronikauszug (1988 von Mag. Giselheid
Patscheider-Riedmann geschrieben)